Experiment: Vergleiche die Geschwindigkeiten von zwei Nervenfasern unterschiedlicher Größe
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Experiment: Vergleiche die Geschwindigkeiten von zwei Nervenfasern unterschiedlicher Größe

Würdest du gern wissen warum die Telefonleitungen in deiner Nähe deinen Nervenzellen ähneln? Mit dieser Experimentieranleitung wirst du genau diesen Vergleich verstehen und etwas über die elektrische Kabeltheorie lernen. Dabei wirst du Geschwindigkeitsunterschiede im Nervensystem vom Regenwurm messen.

Dauer 1-2 Stunden
Schwierigkeitsgrad Fortgeschritten

Was lernt man hier?

Bei diesem Experiment wirsst du lernen wie die laterale und mediale Riesenfaser des Regenwurms sensorische Informationen übertragen. Dabei wirst du auch eine Einführung in die Kabeltheorie bekommen und wie Neurowissenschaftler sie benutzen um die physikalischen Eigenschaften eines Axons zu beschreiben.

Voraussetzung

  • Einleitung zur Leitgeschwindigkeit - Wir empfehlen dir dieses Experiment zuvor durchzuführen. Dabei wirst du lernen wie man ein Experiment mit einem Regenwurm durchführt und wie man die 2-Kanal SpikerBox mit Audacity benutzt.
  • Faradaykäfig - Elektrisches Rauschen ist oft ein Problem bei elektrophysiologischen Experimenten. Ein Faradaykäfig hilft dir dabei ihn zu beseitigen. Für dieses Experiment brauchst du wahrscheinlich einen!


Hintergrund

Anmerkung: Dieses Experiment wurde extern begutachtet und im Magazin "Advances in Physiology Education" veröffentlicht - Wie jede wissenschaftliche Veröffentlichung ist sie auf Englisch. Aber keine Angst, man muss früh anfangen sich mit dem Schreibstil und dem wissenschaftlichen Vokabular auseinanderzusetzen. Nimm' dir die Zeit, falls du eine detailliertere Version des unten beschriebenen Experiments bevorzugst..

Im Vorgängerexperiment hast du gelernt wie man die Leitgeschwindigkeit des Nervensystems des Regenwurms misst. Hier eine kleine Auffrischung über die Anatomie: Der Regenwurm hat drei große Neurone, die seinen Körper entlang laufen. Die mediale Riesenfaser (MGN=medial giant nerve) und die zwei fusionierten lateralen Riesenfasern (LGN=lateral giant nerve).

Schauen uns wir doch mal den ventralen ("Bauch- oder Unterseiten-") Nervenstrang etwas genauer an. In ihm verlaufen die mediale und die lateralen Nervenfasern. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen Invertebraten (Wirbellose=Insekten, Würmer...) und Vertebraten (Wirbeltiere=Hunde, Eidechsen, Wir...) ist, dass bei Invertebraten der Hauptnervenstrang ventral (am "Bauch" entlang) verläuft. Bei uns hingegen sitzt die Wirbelsäule mit den darin enthaltenen Nerven auf der Rückenseite (dorsal) unseres Körpers.

Sowohl der MGN als auch der LGN sind extrem wichtig, dass die Sinneseindrücke des Regenwurms an seine Muskeln weitergeleitet werden (Drewes et al. 1984 & 1990). Die mediale Riesenfaser/MGN überträgt sensorische Information über das vordere (anteriore) Ende des Wurms (dort, wo wir das Clitellum finden). Die LGN hingegen überträgt sensorische Information über das hintere (posteriore) Ende des Wurms (dementsprechend weiter vom Clitellum entfernt). Es gibt aber noch einen wichtigen physikalischen Unterschied zwischen diesen beiden Systemen. Der MGN misst 0.07 mm im Durchmesser und ist damit ein wenig größer als der LGN (Durchmesser=0.05 mm) (Kladt et. al 2010).

Im vorherigen Regenwurmexperiment hast du vom hinteren oder posterioren Ende abgeleitet und dabei die Leitgeschwindigkeit des LGNs bestimmt. In diesem Experiment wirst du sowohl vom posterioren (LGN) als auch vom anterioren (MGN) Ende des Wurmes elektrische Signale messen. Wir wollen herausfinden ob es einen Unterschied in der Leitgeschwindigkeit der beiden Nervenfasern gibt. Was glaubst du? Nehmen wir doch einfach mal an es gibt einen.....

Wenn wir daran denken wie ein Aktionspotential das Axon einer Nervenzelle "herunterwandert" kann's hilfreich sein, wenn wir es mit etwas vergleichen, das wir kennen: die Lautstärkeeinstellung des Fernsehers zum Beispiel. Wenn du deinen Fernseher anschaltest und dann langsam von ihm wegläufst. Was passiert wenn du dich weiter und weiter vom TV entfernst?

Der Ton deiner Lautsprecher wird immer leiser je weiter du dich vom Fernseher entfernst. Man kann das gut mit der Potentialveränderung (darauf basiert ein Aktionspotential) entlang des Axons einer Nervenzelle vergleichen. Stellen wir uns mal ein ganz spezielles Neuron vor (hypothetische Nervenzelle), in der es keine aktiven Ionenkanäle gibt. Lasst uns das Potential im Zellkörper verändern und an drei unterschiedlichen Punkten entlang des Axons messen. Was denkst du, wie schauen diese Messungen aus?

Fällt dir auf, dass das Signal mit der Distanz schwächer wird? Wie stark das Signal schwächer wird, hängt von zwei Dingen ab: der Zeitkonstanten und der Längenkonstanten. Jetzt ist's Zeit für ein bisschen Mathe und Elektronik, unseren Lieblingsfächern!! (neben dem Untersuchen von Nervenzellen natürlich).

Was bedeuten die r's und c's? r ist "Resistance", was Wiederstand heißt und c steht für "Capacitance" bzw. die Kapazität. D.h.: wie viel Ladung entlang einer isolierten Barriere gespeichert werden kann.

Reden wir aber zuerst über die Längenkonstante (this is sometimes also called the "space constant"). Die Längenkonstante (λ, oder lambda) zeigt dir wie weite Spannung entlang einer Nervenzelle wandern kann bevor sie null wird. Wenn du eine Längenkonstante von 1 mm misst, heißt das, dass am Axon 1 mm vom Zellkörper entfernt noch 37% des Spannungswertes übrig sind. Bei einer Entfernung von 2 mm können wir nur noch 14% des ursprünglichen Auschlags sehen und bei 3 mm bleiben nur noch 5% übrig. Das ist ein super Beispiel für eine Funktion mit einem "exponentiellen Abfall".

Die Längenkonstante wird aus rm und ri berechnet. rm ist der elektrische Wiederstand der Membran einer Nervenzelle und beschreibt wie gut elektrisch isoliert die Nervenzelle arbeitet bzw. ob sie "leckt" (leaky im Englischen). Je größer rm ("also gut isoliert") ist, umso größer wird die Längenkonstante der Nervenzelle. ri ist der Wiederstand der intrazellulären Flüßigkeit (Axoplasma genannt) im Axon. Hier ist es andersrum: umso kleiner ri ist, desto größer wird die Längenkonstante.

Die Zeitkonstante (Τ oder tau) ist der Längenkonstante sehr ähnlich, nur dass sie von der Zeit abhängt. Sobald die Spannung im Inneren einer Nervenzelle verändert wird, braucht es eine gewisse Zeit bis das Neuron komplett "geladen" ist und sich eine stabile Spannung wieder einstellt. In der Gleichung für die Zeitkonstante kommt cm , die Kapazität der neuronalen Membran vor. Diese beschreibt die Fähigkeit der Membran Ladung zu speichern. Umso höher die Kapazität, desto länger braucht's bis der Kondensator komplett geladen ist (oder entladen). Er dient quasi als "Puffer", der schnellen Potentialänderungen entgegenwirkt.

Somit kann man sagen: je kleiner beide Werte von rm und cm werden, umso kleiner wird die Zeitkonstante und weniger Zeit wird benötigt um das Potential eines Axons zu verändern.

Eine "ideale Nervenzelle" hätte eine unendlich große Längenkonstante und eine unendlich kleine Zeitkonstante. Dann würde eine Veränderung des Potentials an jeder Stelle der Nervenzelle zu einer Spannungsänderung im gesamten Neuron führen.

Sowohl die Zeitkonstante als auch die Längenkonstante sind "passive" Eigenschaften des Neurons. Wie schaffen es dann deine Nervenzellen, dass elektrische Signale nicht sofort auf null abfallen? Die Nervenzelle wird "aktiv" und benutzt Ionenkanäle! Deine Nervenzellen benutzen Natrium- und Kaliumkanäle um entlang des Axons durchgehend das Aktionspotential aufrecht zu erhalten und "bekämpfen" somit den Potentialabfall, der durch die Zeit- und Längenkonstante hervorgerufen würde. Sobald ein Aktionspotential dein Axon herunterfeuert, öffnen und schließen sich Natrium- und Kaliumkanäle durchgehend, um das Aktionspotential aufrecht zu erhalten und das Axon entlang zu schicken.

Im vorherigen Regenwurmexperiment hast du bereits gelernt, dass die Aktionspotentialweiterleitung entlang einer Nervenzelle eine endliche Geschwindigkeit hat. Jedes Mal muss ein Ionenkanal sich öffnen um das Aktionspotential "am Leben" zu halten, was die Weiterleitung des Aktionspotential um ~1 ms verzögert. Und umso kleiner deine Längenkonstante, umso öfter muss das Aktionspotential durch das Öffnen der Ionenkanäle neu generiert werden. Wie könnten wir die Längenkonstante erhöhen? Wir könnten ja rm vergrößern. Gibt es eine Möglichkeit das zu tun?

Jaaa! Wir können rm vergrößern indem wir das Neuron umhüllen. Und zwar mit....

Myelin ist eine Fettschicht, die von speziellen Zellen produziert wird: von Schwann'schen Zellen und von Oligodendrozyten. Diese Schicht lässt Axone wie kleine Hot Dog Röllchen aussehen und ist der Grund warum unser Gehirn manchmal als "Fettklumpen" bezeichnet wird. Durch diese Hülle "leckt" unsere neuronale Membran weniger und der Wert von rm wird stark erhöht.

Was denkst du würde passieren, wenn wir das komplette Axon in Myelin verpacken würden? Leider würde dadurch die Längenkonstante nicht stark genug erhöht werden um mit dieser Idee durchzukommen. Das Aktionspotential muss weiterhin aufrecht erhalten werden und entlang des Axons immer neu generiert werden. Allerdings nicht mehr so oft wie bei einem unmyelinisierten Axon.

Deswegen ist die Myelinhülle nicht durchgehend, sondern wird von kleinen Membranabschnitten unterbrochen: den "Ranvier'schen Knoten." In diesen Knoten existiert kein Myelin, das die Membran isoliert, und viele aktive Ionenkanäle befinden sich hier. Diese diskrete Regeneration von Aktionspotentialen zwischen den Myelinabschnitten an den Ranvier'schen Knoten wird "saltatorische Erregungsübertragung" genannt.

  • Themenbezogener Fun Fact: saltatorisch (vom lat. saltare) bedeutet "hüpfend". Grashüpfer werden in Südamerika zum Beispiel "Saltamontes" genannt, übersetzt: "Berghüpfer".
  • Aber warte! Wenn man die Nervenzellen mit Myelin umhüllt wird doch die Distanz zwischen Innen- und Außenseite der neuronalen Membran vergrößert. Kapazität wird von der Distanz zweier geladener Teilchen zueinander beeinflußt (schau' unter: Haliday and Resnick), Myelin wird cm verringern. Wird dadurch auch die Zeitkonstante verringert? Hmm, vielleicht nicht, da, wie vorhin bereits erwähnt, das Myelin gleichzeitig rm stark erhöht.

    Gleichzeitig kleiner werdendes cm mit größer werdendem rm führen wahrscheinlich zu einer unveränderten Zeitkonstante. Dabei handelt es sich aber um eine Hypothese und ein direkter experimenteller Beweis fehlt. Gedankenspiel! Wir haben zwei im Durchmesser gleich große Axone. Das erste Axon hat eine 1mm Myelinschicht und die des zweiten Axons ist 2mm dick. Wie viel schneller wird das zweite Axon sein? Leider, wie schon zuvor, kann man die Frage experimentell nicht beantworten. Nervenzellen mit dickerer Myelinschicht haben gleichzeitig einen größeren Durchmesser. Bisher konnte man nur Computersimulationen durchführen. Diese zeigen, dass eine Nervenzelle mit doppelt so dicker Myelinschicht eine doppelt so schnelle Leitfähigkeit aufweisen sollte. Somit müssen wir wohl noch warten bis dieses Gedankenspiel aufgelöst werden kann.

    Es gibt noch einen anderen Weg wie man die Leitfähigkeit erhöhen kann ohne die Myelin-Spezialzellen weiter nerven zu müssen. Da Invertebraten nichts von Schwann'schen Zellen und Oligodendrozyten wissen, haben sie sich eine andere Methode einfallen lassen...

    Je größer der Radius eines Axons, desto kleiner werden sowohl ri, als auch rm. Erinner' dich dran, unsere Längenkonstantenformel sagt, dass:

    Zähler und Nenner verändern sich durch den Radius... Es scheint also, dass die Größe des Axons keinen Unterschied macht! Aber lasst uns mal ein bisschen genauer hinschauen. Wie ändern sich diese beiden Werte genau durch die Größe des Axons. Der Membranwiederstand (rm) verändert sich mit dem Umfang des Axons (dort ist die Membran) folgendermaßen:

    während sich der interne Wiederstand mit der Fläche des Axons ändert.

    Beides, Ri und Rm sind Konstanten, die man unabhängig von der Nervenzellgröße berechnen kann. (ri und rm hingegen sind größenabhängig), π ist 3.14 und der Radius ist der Radius des Axons. Also schauen wir uns die Gleichung doch nochmal an:

    Wir sind daran interessiert herauszufinden was sich verändert, wenn wir die Größe des Axons (genauer gesagt, den Radius) verändern. Deswegen vernachlässigen wir alles was konstant ist und schaun' mal was so übrig bleibt. Rm und Ri sind konstants, genauso wie die 2 und π. Ein Radius kürzt sich raus. Deswegen bleibt nur noch:

    Aha, die Längenkonstante und die Leitgeschwindigkeit hängen von der Wurzel des Radius ab.

    Denk daran, dass das Myelin gegenüber der Durchmesservergrößerung einige Vorteile hat. Eine Verdreifachung der Myelindicke erhöht die Leitgeschwindigkeit um einen Faktor 3, wohingegen die Verdreifachung des Durchmessers eines Axons die Leitgeschwindigkeit nur um den Faktor Wurzel 3, also 1.7 erhöht. Um Myelin herzustellen, muss man allerdings einiges investieren (erinnerst du dich an die Spezialzellen, die die Fettschicht herstellen müssen? Diese müssen auch versorgt werden!). Deswegen ist es nicht die perfekte Lösung für alle Tiere. Aber...sogar die größten Neurone des Tierreichs ohne Myelin, wie zum Beispiel das 1 mm Riesenaxon des Tintenfisches, hat eine Leitgeschwindigkeit von lediglich 20-25 m/s! Du besitzt myelinisierte Axone in deinem Körper (die A alpha fibers) mit einem Durchmesser von nur 13-20 μm (1/100 vom Tintenfischaxon). Sie haben aber eine Leitgeschwindigkeit von 80-120 m/s! Myelin ist eine wundervolle biologische Erfindung, die es Nervenzellen erlaubt, klein und schnell zu sein. Es ist aber teuer.

    Klingt verwirrend? Keine Sorge, wir fanden's während unserer wissenschaftlichen Ausbildung ebenfalls schwierig und manchmal verwirrend. Willkommen in der "Kabeltheorie", entwickelt in den 1800's als Ingenieure versucht haben die Signaltransmission auf langen Strecken zwischen Telegraphenmasten zu verstehen. Neurowissenschaftler haben dann diese Theorie im frühen 20. Jahrhundert benutzt, um die Antworteigenschaften von Nervenzellen zu beschreiben.

    Aber was sagt uns jetzt diese Kabeltheorie in Bezug auf die zwei Nervenzelltypen im Regenwurm? Da die MGN 1.4 mal größer ist als die LGN, würden wir erwarten, dass diese 1.18x schneller sein sollte. Wir wissen bereits, dass die LGN Aktionspotentiale bei ~10-14 m/s verschickt. Deswegen würden wir erwarten, dass die MGN mit 12 - 17 m/s um diesen Faktor schneller ist. Das ist ein ziemlich kleiner Unterschied, den wir hier mit einer SpikerBox messen wollen, aber versuchen wir's doch einfach und schau' mer mal, ob unsere Ergebnisse unserer Theorie entsprechen werden!

    Downloads

    Video

    Anmerkung: Das Video unten ist eine Version von 2015 und auf Englisch. Es nennt sich das worm stretch Experiment und eignet sich besonders um eine kleine Einführung in der Handhabung der Software zu bekommen. Das Originalvideo von 2012 siehst du hier.

    Video

    Ablauf

    Die Materialien, die du für dieses Experiment brauchst sind exakt die gleichen wie bei: Introduction to Conduction Velocity (Neural Speed)
    1. Anesthesiere den Wurm und versuch eine Ableitung vom hinteren (posterior) Ende durchzuführen, genauso wie im vorherigen Experiment.
    2. Sobald du mehrere Spikes bekommst, schalte die Spikerbox aus.
    3. Jetzt, rotatier' den Wurm um 180 Grad und positionier' die Elektroden neu. Diesmal wirst du vom vorderen (anterior) Ende ableiten.
    4. Jetzt, schalt' die Spikerbox wieder ein und nimm' mehrere Spkes vom vorderen Ende auf, indem du den Kopf des Wurms mit einem Holzstück berührst. Sobald du mehrere Spikes bekommen hast, kannst du aufhören mit audacity aufzunehmen und setz' den Wurm zurück in seinen Boden. Der Regenwurm ist ziemlich wiederstandsfähig und wird sich locker von dem Experiment erholen.
    5. Jetzt kannst du deine Daten anschauen. Wir haben die Spikerbox aus- und angeschalten damit wir eine klare Nulllinie zwischen den Recordings bekommen. Dadurch weißt du welche Spikes zum hinteren und welche zum vorderen Ende gehören. Die Abbildung unten zeigt dir eine audacity Aufnahme. Elektrode 1 unten und Elektrode 2 oben.
    6. Du kannst in deine Spikes "reinzoomen" und die Leitgeschwindigkeit messen. Schau dir Aufnahmen von 5-6 Spikes an.
    7. Wiederhole das Experiment ein paar mal mit mehreren Würmern. Das wird dir einen guten Datensatz geben mit dem du arbeiten kannst. Vergiss' nicht deine Elektroden mit Alkohol, Wasser und einem Papiertuch nach jedem Wurm zu säubern.
    8. Du musst nun einen statistischen Test durchführen. Und zwar den T-test, um herauszufinden ob die Leitgeschwindigkeiten unterschiedlich sind für die zwei Nervenfasern. Falls du noch nicht weißt wie man das macht, kannst du mit deinen Daten unserer Statistikanleitung folgen. Falls du diese "Unterrichtsstunde" bereits gemacht hast oder schon Erfahrung mit Statistik besitzt, kannst du einfach die Berechnungen unten durchführen.
    9. Berechne den Mittelwert und die Standardabweichung deiner MGN und LGN Aufnahmen.
    10. Und schlussendlich musst du noch deine t-Statistik mit entsprechenden p-Wert ermitteln. Was hast du herausgefunden? Sind die beiden Leitgeschwindigkeiten unterschiedlich?

    Diskussion

    Falls dein Experiment erfolgreich war, solltest du herausgefunden haben, dass die MGN (anterior) Leitgeschwindigkeit tatsächlich signifikant schneller ist. Allerdings nicht 1.2x, sondern eher 2-4x schneller! Warum? Vielleicht erinnerst du dich daran, dass die Regenwurmneurone myelinisiert sind! Ein paar Invertebraten, manche Shrimp- und Wurmarten, haben tatsächlich Myelin.

    Typischerweise nimmt die Myelindicke mit dem Axondurchmesser zu. Vielleicht hat ja die MGN auch eine dickere Myelinschicht. Das wär ein exzellentes Histologieprojekt. Gib uns Bescheid, wenn du die Herausforderung angenommen hast und lass' uns wissen was du rausgefunden hast!

    Falls du einen Erklärungsansatz hast, warum der Unterschied unerwarteterweise so groß ist, würden wir das gerne hören. Vielleicht hat dein Prof 'ne Idee? So ist das nunmal in der Biologie: man stößt immer auf Unerwartetes! Falls du auch noch eine Idee hast, warum eine längere Zeitkonstante die Leitgeschwindigkeit erhöht, gib' bitte Bescheid.

    Du hast noch nicht genug?

    1. Hat die Anesthäsie einen Effekt auf die Leitgeschwindigkeiten der MGN und LGN?
    2. Hat die generelle Größe des Wurms einen Einfluß auf die Leitgeschwindigkeit?
    3. Du kannst den Regenwurm auch in einer 40% - 60% karbonisierten Wasserlösung (Sprudel) für 5-9 Minuten betäuben. Wird das was an den Resultaten verändern?
    4. Der Regenwurm Lumbriculus variegatus (California Blackworm) hat eine größere LGN verglichen zur MGN, also würden wir genau das Gegenteil erwarten, verglichen zum Lumbricus terrestris. Führ' das Experiment durch und geb' uns Bescheid was du gefunden hast!
    5. Wie dick ist das Myelin? Wir haben leider keinen Zugang zu Histologielaboren, aber vielleicht ja du. Warum nicht ein paar Histologieschnitte des Regenwurms anfertigen, die Axondurchmesser analysieren und uns kontaktieren?

    Gibt's Probleme?

    Das kann ein ziemlich schwieriges Experiment sein, weil der Wurm manchmal keine Spikes aufweist. Oft liegt es an der Betäubungsmethode oder an der generellen Gesundheit des Tieres. Wenn du die 10% Alkoholvariante anwenden solltest (3-6 Minuten), sollte der Wurm Spikes produzieren sobald du angefangen hast (vergiss' nicht den Wurm nach der Betäubung mit Wasser zu waschen).

    Vielleicht willst du ja auch mal ausprobieren was sich verändert, wenn du den Wurm fester oder schwächer anstupst. Manchmal reicht schon eine sanfte Berührung und ein anderes Mal muss man etwas fester den Wurm drücken. Manche Würmer antworten besser wenn sie direkt am Körperende stimuliert werden und manche ein paar Segmente weiter drin.

    Manchmal kanns sein, dass du ein Artefakt hervorrufst, sobald du den Wurm berührst. Wenn du dir die Artefaktsignale genau anschaust, sollten sie bei beiden Kanälen zur gleichen Zeit auftauchen. Das ist ein FakeSpike und kommt nicht vom Wurm! Manchmal hilft's wenn man den Wurm ein bisschen trocken werden lässt und danach auch nicht wieder zu nass macht. Austrocknen ist aber auch ein Problem. Deswegen ist es wichtig, dass du dich gut mit dem Experiment auseinandersetzt und mit der Zeit wirst du Erfahrungen sammeln und deine eigene Technik entwickeln.

    Du kannst auch einen Luftstimulus benutzen, wenn du zu viele Artefakte bekommst. Manchmal hilft es auch den Wurm zu drehen (ventral zu dorsal). Dadurch kann es sein, dass der Stimulus näher an den Nerv kommt und somit ein besseres Signal hervorruft.