Der Kniesehnenreflexbogen ist ein Wirbelsäulenreflex und sein Schema ist oben abgebildet. Diese Illustration zeigt dir, wie die sensorischen (afferenten) Nervenzellen Informationen durch das dorsale Wurzelganglion in die Wirbelsäule schicken; dort wird das Signal in zwei Pfade aufgeteilt. Der erste ist das Motorneuron (efferent), der zurück zum Quadrizeps führt. Sobald das Motorneuron in deinem Oberschenkelmuskel die Information bekommt, feuert es und lässt deinen Fuß nach vorne schnellen. Das zweite Signal vom sensorischen Neuron kommt zu einem Interneuron, das ein efferentes Motorneuron aktiviert, welches wiederum zur Muskelfaser verbunden ist. Das Signal veranlässt die Muskelfaser zu entspannen, dass kein Widerstand herrscht sobald der Quadrizeps kontrahiert. Beide Signale arbeiten zusammen und all' das passiert in der Wirbelsäule, ohne dass das Gehirn benötigt wird.
Du fragst dich nun vielleicht wie ein Kniereflexbogen sich von den Bewegungsabläufen eines Fußballers unterscheiden. Sind das nicht beides Reflexe? Es scheint zwar so, als ob der Fußballer auf den auf ihn zukommenden Ball reflexartig reagiert, aber in Wirklichkeit ist dies ein Zusammenspiel von hunderttausenden Nervenzellen. Bewusst kann sich der Fußballspieler in der Bewegung für seine nächste Aktion entscheiden: Ball annehmen, Direktpass, Körpertäuschung, Fallrückzieher! Per Definition handelt es sich um eine Reaktion, wenn die Entscheidungsfreiheit vorliegt.
Sobald der Fußballspieler bemerkt, dass der Ball auf ihn zukommt, wird die visuelle Information benutzt um eine Entscheidung zu treffen, was im nächsten Moment gemacht werden muss. Das Gehirn muss daraufhin viele Signale an unterschiedliche Muskeln schicken. Die Füße fangen an sich zu bewegen, die Hände gehen vielleicht schutzartig vors Gesicht, die Augen werden geschlossen oder, oder, oder... Hier handelt es sich um ein kompliziertes Zusammenspiel von vielen Nervenzellen und mehrerer Systeme und Schaltkreise. Allerdings bekommt man mit Übung immer mehr Kontrolle über diese Prozesse und verbessert sich in jeder Sportart durch Training. Deswegen heißt es auch: Übung macht den Meister.
Wie in jeder Wissenschaftd ist die Geschichte der Entdeckung der Reaktionszeit recht einzigartig. Der holländische Physiologe F.C. Donders hat 1865 angefangen über die menschliche Reaktionszeit nachzudenken und fing an sich zu überlegen, wie man diese messen könnte. Vor seinen Studien dachten Wissenschaftler noch, dass menschliche, mentale Prozesse zu schnell für Messinstrumente wären. Diese Annahme wurde allerdings verworfen als Charles Wheatstone zu Hilfe kam. Er war ein englischer Wissenschaftler und Erfinder. 1840 hat Wheatstone ein Gerät erfunden, das ähnlich wie sein Telegraphensystem funktionierte und die Geschwindigkeit von Artilleriewaffen messen konnte. Donders hat sich dieses Gerät zu Nutze gemacht und die Zeit gemessen, die eine Person brauchte, um einen Knopf zu drücken, nachdem Sie elektrischen Fußschock zu spüren bekam. Der Knopf musste mit der rechten oder linken Hand gedrück werden, je nachdem an welchem Fuß die Versuchsperson stimuliert wurde. Seine Studie hat 2 Konditionen getestet: als Erstes wusste die Person an welchem Fuß sie stimuliert wird und bei der zweiten Kondition wusste sie es nicht. Donders hat entdeckt, dass die Testpersonen im Durchschnitt 1/15 Sekunden länger brauchten um den Knopf zu drücken wenn sie nicht wussten welcher Fuß geschockt wird. Bemerkenswerterweiße war das das erste Mal, dass menschliche Gedankenprozesse gemessen wurden!
Seine Bemühungen werden heute immer noch weitergeführt. Und nun mit weiteren Methoden, die meist nicht invasiv durchgeführt werden können. Und zwar duch Bildgebungsverfahren wie das fMRT, PET, EEG, etc... Vielleicht hattest du einen solchen Scan schon einmal im Krankenhaus.
Wie schnell Nervenzellen Information weiterleiten wird auch die "Geschwindigkeit neuronaler Transmission" genannt; in einem unserer anderen Experimente haben wir gemessen, wie schnell die Leitgeschwindigkeit von Nervenzellen in Regenwürmern (Experiment 11) ist. Dies ist jedoch nur einer von vielen Geschwindigkeitsflaschenhälsen. Du musst dich auch mit der Synapse beschäftigen (Experiment 8). Ebenfalls wichtig: die Schnelligkeit variiert je nach Reiz- und Aufgabenart.
In diesem Experiment wirst du mit einem Freund eure Reaktionszeiten mit Hilfe eines simplen Lineals messen. Dabei wirst du nicht nur visuelle Reize untersuchen, sondern auch auditorische (Gehör) und taktile (Tast) Stimuli.
Ablauf
Dieses Experiment wird in zwei Phasen unterteilt. In der ersten benutzen wir ein Lineal und in der zweiten zwei.
Experiment 1: In dieser Phase wirst du mit deinem Partner visuelle, auditorische und taktile Reaktionszeiten mit einem Lineal messen.
- Lass' deinen Freund an einen Tisch setzen mit seiner dominanten Hand über der Kante.
- Als Erstes werden wir seine visuelle Antwort messen. Halte das Lineal an der 30 cm Markierung, so dass das 0 cm Ende auf Höhe seines Zeigefingers ist.
- Sag' deinem Freund er soll das Lineal so schnell wie möglich ergreifen, wenn du es loslässt. Versuch' keine Geräusche oder Gesten zu machen während du das Lineal fallen lässt. Sie sollen sich nur auf ihren Sehsinn berufen dürfen und darauf reagieren, dass du das Linear aus der Hand fallen lässt. Schreib' die Zentimeterzahl auf.
- Wiederhole das Experiment weitere drei Mal. Dann tauscht die Rollen und macht das Gleiche nochmal. Versucht wie bei jeder Experimentierreihe alle Umgebungseinflüße konstant zu halten. Es darf sich nichts im Protokoll ändern.
- Jetzt messen wir auditorische Reaktionen. Der Versuchspartner sitzt genauso wie vorher am Tisch, nur dass er diesmal eine Augenklappe aufzieht.
- Wir testen wieder die dominante Hand, sag' deinem Partner, dass du das Wort "Release" sagst, sobald du das Lineal loslässt. Schreib' dir wieder die Zentimetermarkierung auf an der das Lineal gefangen wurde und wiederhole den Versuch weitere 3 Mal. Jetzt wird wieder getauscht.
- Für den letzten Test, schau', dass dein Partner wieder am Tisch mit Augenklappen sitzt. Diesmal wirst du die taktile Reaktion messen. Sag' ihm/ihr, dass du die nicht-dominante Schulter berühren wirst sobald du das Lineal fallen lässt.
- Geb' deinem Partner keinen auditorischen Hinweis beim Loslassen. Nur eine einfache Berührung. Wie schon zuvor: Schreib' deine Ergebnisse auf und wiederhol' die Prozedur weitere drei Mal bevor ihr die Rollen tauscht.
Hier seht ihr die Tabelle für das erste Experiment:
Experiment 2: In dieser Phase werdet ihr visuelle und auditorische Reaktionszeiten mit zwei Linealen messen.
- Für den visuellen Teil dieses Experiments setzt ihr euch genauso wie vorher an den Tisch, nur dass diesmal beide Hände über der Kante sind.
- Diesmal wirst du aber beide Lineale in deinen Händen halten und nicht nur eins.
- Sag' deinem Partner, dass du nur ein Lineal loslassen wirst und dass er/sie dieses so schnell wie möglich greifen soll…Wichtig hierbei ist, dass nicht beide Hände die Greifbewegung durchführen dürfen, sondern nur eine.
- Wenns losgeht entscheidest du per Zufall welches Lineal du fallen lässt. Es ist egal welches du fallen lässt, du wirst dieses Experiment 3 Mal durchführen. Du darfst nur nicht deinem Gegenüber verraten welches Lineal du fallen lässt.
- Wie immer: tauscht Rollen und wiederholt das Experiment.
- Schlussendlich testen wir noch einmal die auditorische Reactionszeit. Diese Mal mit beiden Linealen.
- Gleiche Ausgangsposition wie vorher mit beiden Linealen und schau', dass dein Partner die Augenklappe trägt.
- Dann wirst du "links" oder "rechts" sagen. Gleichzeitig mit dem Wort lässt du das jeweilige Linear fallen. Dein Partner muss sich dafür entscheiden welches Lineal er/sie fangen will beruhend auf der Information die du ihm/ihr gibst: "links" oder "rechts". Wie vorher darf dein Partner nur eine Hand schließen.
- Schreib deine Ergebnisse auf und wiederhole es wiederum dreimal. Denk daran, dass du zufällig links und rechts abwechselst. Tauscht eure Rollen und wiederholt das Experiment.
Hier ist die Tabelle für das zweite Experiment:
Mathematik
In der oberen Tabelle hast du alle Zentimetermessungen eingetragen und kannst sie in Sekunden umrechnen. Das zeigt dir wie lang's braucht, dass ein Objekt (Lineal) eine gewisse Distanz fällt. Die untere Formel besteht aus drei Variablen.
Y = gemessene Distanz in Zentimeter
g0 = die Beschleunigung, aufgrund der Schwerkraft konstant (980 cm/sec2 )
t = Zeit in Sekunden
Hier ist ein Beispiel wie man die Gleichung benutzt:
Es ist schon ein recht großer Aufwand jede Nummer einzeln umzurechnen. Deswegen haben wir eine Umrechnungstabelle, mit der man schnell die Zentimeter in Sekunden umrechnen/ablesen kann. Allerdings fehlen ein paar Werte in dieser Tabelle. Du musst sie noch einsetzen um die Tabelle zu vervollständigen. Benutz' dafür die obere Gleichung oder schreib' ein kleines Computerprogramm (in Matlab, Excel, Python...), wenn du das drauf hast.
Nachdem du die Umrechnungstabelle benutzt hast und die Zentimeter in Sekunden umgerechnet hast, kannst du ein besseres Gefühl für deine Daten bekommen. Wie kann man deine Messungen mit durchschnittlichen Reaktionszeiten vergleichen. Ganz einfach! Die durschnittliche Reaktionszeit bei Menschen beträgt 0.25 Sekunden auf visuelle Reize, 0.17 für Audiostimuli und 0.15 Sekunden für taktile Reize.
Handout fürs Klassenzimmer
Dieses Handout wurde von Virginia Johnson erstellt. Sie hat unser Experiment so angepasst, dass man es als Lehrmittel hervorragend benutzen kann. Das Handout gibt sehr gute Anweisungen wie die visuellen, taktilen, und auditorischen Experimente auf eine einzelne Seite untergebracht werden können (auf Englisch und nach den Highschoolstandards der USA). Danke Virginia, dass du es mit uns geteilt hast!
Du hast noch nicht genug?
- Warum haben die Berührungs- und Gehörreize schnellere Reaktionszeiten im Durchschnitt? Wie viel schneller sind sie? Passen deine Resultate mit den obrigen Zahlen zusammen?
- Erwartest du Unterschiede in den Reaktionszeiten zwischen männlichen und weiblichen Testpersonen? Wie siehts bei athletischen vs. gemütlich lebenden Testpersonen aus?
- Wieso sollte man nicht die Reaktionszeiten bei den taktilen Reiz ähnlich aufbauen wie die vorherigen und eine Entscheidung mit einbauen? Wie müsstest du das Experiment verändern um genau dies zu messen?
- Wie du wahrscheinlich weißt, hast du eine dominante und eine nicht-dominante Hand Mit nur vier Versuchsreihen ist es schwierig einen Unterschied zu sehen. Versuch' mal das Experiment 10-20 Mal zu wiederholen und führe das Experiment mit Links- und Rechtshändern durch. Vielleicht sieht man dann einen Unterscheid zwischen der "starken" und der "schwachen" Hand.
- Die durchschnittliche Leitgeschwindigkeit ist ungefähr 20-80 m/s. Es braucht ungefähr 1 ms, dass Neurotransmitter eine Synapse überqueren können.
- Berechne das untere Limit für deinen Kniesehnenreflex vs. was du denkst wie lang der Reflex bei einer Giraffe braucht. Als Test kannst du die Reaktionszeiten bei unterschiedlich großen Menschen messen und schauen, ob du einen Unterschied siehst.