Experiment: Der Bewusstseinsdetektor - EEG, Oddball Task und P300
Nachdem du im EEG Experiment die rhytmische Aktivität des Gehirn gesehen hast, kannst du dir hier koordinierte Hirnaktivität durch spezifische Sinnesreize anschauen. Hast du ein Bewusstsein? Lass' es uns rausfinden! Anmerkung: Bis jetzt, brauchst du Matlab auf deinem Computer um die Analyse durchzuführen. Wir arbeiten daran in Zukunft Python basierte Skripte zur Analyse zur Verfügung zu stellen.
Was lernt man hier?
In diesem Experiment wirst du noch mehr darüber erfahren wie in unserem Gehirn die unterschiedlichen Areale miteinander kommunizieren und wie unser Gehirn auf einen unerwarteten Reiz reagiert. Dazu messen wir das P300 Signal, welches eher an eine bewusste Wahrnehmung gekoppelt ist, als die Alpha Rhytmen unseres visuellen Kortex.
Voraussetzung
- EEG - Du solltest dich schon einmal mit der Arduino Plattform auseinandergesetzt haben und wissen wie man ein Heart & Brain SpikerShield benutzt um Alpha-Wellen aufzunehmen. In diesem Experiment werden wir uns der Herausforderung stellen, ereignisgekoppelte Signale/Potentiale zu messen.
Ausrüstung
Hintergrund
Basierend auf dem Sommerforschungsprojekt von Kylie Smith (Michigan State University).Was genau passiert in unserem Gehirn "hinter den Kulissen", also wenn wir denken? In unserem Experiment: Miss' ein Elektroenzephalogram von deinem Gehirn , haben wir die rhytmische Aktivität deines okkzipitalen Lobus (Kortex) untersucht, während des Nicht-Sehens von Licht (geschlossene Augen). Dabei handelt es sich eher um eine Art "Modus" in den Teile des Hirns fahren, wobei Gedanken meist eher spontan und schnell auftreten. Wenn wir uns mit unseren kognitiven (aufs Denken bezogen) Signalen auseinandersetzen wollen, können wir manche "nicht-rhythmische" Phänomene in unserem Gehirn beobachten und untersuchen.
Lass' uns noch ein bisschen mehr über die elektrischen Signale, die wir außerhalb des Gehirns messen können, reden. Das P300 Signal ist ein "event related potential (ERP)", zu Deutsch ein ereigniskorreliertes Potential (EKP). Das bedeutet, dass man dieses Signal als schnelle Potentialänderung im EEG sehen kann, sobald ein sensorisches, kognitives oder motorisches Ereignis (Reiz) stattfindet. Die Spitze des Signalverlaufs liegt im Durchschnitt 300 Millisekunden nach (auf Latein "post") des Reizes, deswegen nennen wir es P300. Im Gegensatz dazu stehen rhytmische Wellen (Alpha, Beta, Theta etc.), die eher den Status des Gerhirns beschreiben.
Das P300 Signal kommt wahrscheinlich vom Parietallappen, wo wir auch unsere Elektroden platzieren werden. Dieser Teil deines Gehirns spielt eine wichtige Rolle wenn es um die Aufmerksamkeit auf deine Umgebung geht. Menschen, die einen Schaden an ihrer rechten parietalen Hirnhälfte haben, können meist nicht mehr die linke Seite ihrer Welt erkennen. Dieses Phänomen wird auch "hemi-neglect" genannt, zu Deutsch: Halbseiten-Neglect oder -Vernachlässigung (Anmerkung: Wenn der linke Parietallappen beschädigt ist führt dies nicht zur Vernachlässigung der rechten Seite, dies ist immer noch ein Mysterium).
Wenn du etwas komisches siehst oder hörst und dies dich aufmerkasam macht, feuern Nervenzellen im Parietallappen viele Aktionspotentiale und aktivieren dein Gehirn, um diesen neuen Reiz zu verarbeiten. Das P300 Signal entsteht nicht direkt durch das Sehen eines Lichts oder das Hören eines Geräusches, sondern durch die Verarbeitung dieses "unerwarteten" Reizes. In diesem Experiment werden wir nämlich sehen, dass nicht alle Töne die P300 Antwort hervorrufen.
Dieses Experiment wird auch "oddball task" genannt. Man hört eine regelmäßige Abfolge von Tönen einer spezifischen Frequenz (gleiche Tonhöhe). In 10 Prozent der Fälle wird ein Ton erklingen, der einen Tick höher sein wird. 300 Millisekunden nach dem "komischen" oder "oddball" Event, erscheint in deinem EEG ein großer Potentialunterschied deines Parietallappens.
Eine der faszinierendsten Anwendungen des auditorischen P300 ist die Untersuchung der Hirnaktivität bei Patienten, die im Koma liegen. Untersuchungen zeigen, dass bei Anwesenheit des P300 Signals die Chancen gut stehen, dass der Patient wieder aus dem Koma geholt werden kann. Deswegen nennen wir dieses Experiment: "Der Bewusstseinsdetektor".
Das P300 Signal ist schwer zu erkennen während man das Experiment durchführt. Man kann es aber deutlich erkennen wenn man die Daten mehrerer Messungen analysiert. Am besten sieht man das P300 Signal, wenn man über alle Zeitabschnitte während der "oddball" Ton Präsentation mittelt. Dieses gemittelte Signal vergleichen wir dann mit Signalen derselben Länge während die anderen Töne abgespielt wurden. Die Zeichnung unten zeigt dir das dahinterliegende Konzept. Der Mittelwert mehrerer Durchgänge gibt uns eine gute Repräsentation des Signals und lässt uns überprüfen, ob das P300 Signal unserer Hypothese entsprechend 300 Millisekunden nach dem "oddball" Ton erscheint.
Downloads
Bevor's los geht, schau nochmal ob du den Backyard Brains Spike Recorder und das Arduino Programm auf deinem Computer installiert hast. Du musst den Arduino "Sketch" auf deinem Arduino Board installieren indem du die Arduino laptop Software benutzt (falls du den Arduino von uns gekauft hast musst du dir darum keine Sorgen machen). Der Backyard Brains Spike Recorder gibt dir die Möglichkeit deine Daten zu visualisieren und die Daten auf deinem Computer zu speichern, wenn du ein Experiment durchführst. Wir haben ein Erklärvideo für euch gemacht ! Das sollte dir bekannt vorkommen, da du ja schon das Experiment gemacht hast, in dem wir Alpha Wellen messen. Bis jetzt brauchst du für die Analyse noch Matlab. Am besten wäre es, wenn du nachfragst ob eine technische Fakultät an deiner Uni einen Rechner mit dem Programm hat.
Video des Experiments
Ablauf
Für dieses Experiment brauchen wir ein Heart and Brain SpikerShield mit einem "Gain" (=Verstärkung) von ca. 880x mit einem Bandpassfilter zwischen 1-129 Hz.
In "Der Bewusstseinsdetektor - EEG, Oddball Task und P300" untersuchen wir ein reizgekoppeltes Signal welches durch die Präsentation eines "komischen/oddball" Stimulus entsteht. Dieser sticht in einer Gruppe von gleichen Stimuli heraus und wirkt deswegen "komisch".
Aufbau
- Für dieses Experiment brauchen wir zwei Arduinos. Den ersten, an unser Heart & Brain SpikerShield gekoppelten Arduino, nennen wir "Brainduino", und den zweiten, der die Töne generiert "Buzzduino". Download den klassischen Heart & Brain Code auf den Brainduino and den Buzzer Arduino code auf deinen Buzzduino. Anmerkung: Unser Heart & Brain SpikerShield hat die SpikeRecorder Treiber bereits geladen. Nur wenn du deinen eigenen Code benutzen willst, musst du dich über den Code auf deinem Heart & Brain SpikerShield kümmern.
- Verbinde zwei kleine Lautsprecher mit deinem Brainduino and Buzzduino wie unten abgebildet. Die Töne kommen aus Digital Out 8 und 9 deines BuzzDuinos und werden an die Lautsprecher und dem Analog input 1 und 2 deines Brainduinos geschickt. Die Erdung teilen sich die Geräte. Benutze den Versuchsaufbau wie unten dargestellt.
Ein kleines Verbindungsschema für dich:
Elektroden-Setup und -Test
- Nimm' dein BYB Stirnbandl und setze die Elektroden über die P4-Pz Regionen, nach dem EEG 10-20 System - unten siehst du die "Kopfkarte".
- Stell' sicher, dass dein Versuchspartner*in bequem sitzt und mit Stift und Papier ausgerüstet ist.
- Setze ein paar Tropfen Elektrodengel unter die Metallknöpfe auf dem orangenen Stirnband um die Leitfähigkeit zwischen Schädel und Elektroden zu verbessern. Schau', dass so wenig Haare wie möglich zwischen Metall und Kopfhaut liegen.
- Erdungselektrode platzierst du wieder auf dem Schläfenbein hinterm Ohr.
- Jetzt musst du noch das orangene Elektrodenkabel mit den Elektroden verbinden! Die zwei roten Alligatorclips verbindest du mit den Metallknöpfen auf dem Stirnband und den schwarzen Alligator mit der Elektrode hinterm Ohr.
- Das Ende des orangenen Kabels (Klinke) steckst du nun in den Brainduino (orangener weiblicher Stecker des Heart and Brain SpikerShield).
- Jetzt öffne das Spike Recorder Programm. Genauso wie bei jedem anderen EEG Experiment, sind die Filtereinstellungen des Verstärkers im Bereich der Frequenz des Hauswechselstroms. Rauschen kann deswegen ein Problem darstellen und du solltest berücksichtigen, wo und mit welchen Geräten du das Experiment durchführst. Laptop am besten in den Batteriemodus, und schau' dass du dich von Stromquellen fernhälst. Falls das Rauschen zu stark wirkt, platzier' nochmal ein bisschen Elektrodengel auf deine Kopfhaut unter den Elektrodenmetallkontakten.
- Mit unserer SpikeRecorder Software, kannst du noch den 50Hz (Europa) Notchfilter aktivieren und die Slider der digitalen Filter auf 1-100Hz stellen (Configurations=Zahnradsymbol oben links).
- Bleib' ruhig und entspann' bei EEGs aufnahmen - Muskelbewegungen deines Kiefers oder deiner Stirn werden sehr leicht das Signal verfälschen und von den Elektroden aufgenommen.
- Jetzt überprüfen wir die Legitimität unseres Signals, d.h. wir wollen sicher gehen, dass wir keine Artefakte aufnehmen, die unsere Messung des P300 Signals verfälschen. Dein Versuchspartner*in soll die Augen im 10 Sekunden Takt öffnen und schließen. Falls du Alpha Wellen im FFT (8-15Hz) erkennen kannst während die Augen geschlossen sind und diese verschwinden wenn die Augen wieder geöffnet sind, nimmst du das "richtige" EEG auf. Hurra! Weiter geht's. Falls das Signal nicht erscheint musst du sicher stellen, dass alle Kabel richtig verbunden sind und der Elektrodenkontakt mit der Kopfhaut besteht (lieber zu viel Elektrodengel als zu wenig).
- Das Elektroenzephalogramm (EEG) funktioniert. Jetzt können wir den Reiz/Stimulus zum Experiment hinzufügen. Lass' die Elektroden wo sie sind und starte ein neues Recording (roter Kreis rechts oben).
- Schalte' deinen Buzzduino mit der 9 V Batterie ein oder nimm' ein zweites USB Kabel zur Stromversorgung. Du solltest die regelmäßigen und manchmal "oddball" Töne hören.
- Die Buzzer sind mit dem Brainduino verbunden und sollten durch den Split in deiner SpikeRecorder Aufnahmedatei zu sehen sein. Beende dein Recording jetzt und überprüfe ob es so aussieht wie im unteren Bild. 3 unterschiedliche Traces (Signalverläufe) sollten zu sehen sein: 1.) EEG 2.) normaler Ton 3.) "oddball" Ton
- Im nächsten Schritt beginnst du mit der Datenerhebung für dieses Experiment. Starte eine neue Aufnahme, die Versuchsperson entspannt sich und markiert jedes Mal wenn sie den "oddball" Ton hört. Sie zählt aber auch mit wie viele Töne insgesamt erklingen. Nach 50 Tönen ist Schluss, und wir beenden die Aufnahme.
Analyse
- Öffne Matlab und öffne die Aufnahmedatei, die du mit dem Spike Recorder aufgenommen hast. Führe das Matlab Script aus indem du "runP300" in die Kommandozeile schreibst und auf "Enter" beim PC bzw. "Return" beim Mac drückst.
- Im prompt sollte jetzt nach dem Namen der Datei gefragt werden. Schreib den Namen zwischen einzelne Apostrophen. So: 'namederdatei.wav'
- Drei Abbildungen sollten generiert werden.
- Jede graue Linie in der ersten Abbildung zeigt eine Sekunde der EEG Aufnahme, die das Aufkommen des normalen Tons umgibt. Der Mittelwert dieser EEG Antworten wird berechnet und in rot dargestellt.
- Jede graue Linie in der zweiten Abbildung zeigt eine Sekunde der EEG Aufnahme, die das Aufkommen des "oddball" Tones umgibt. Der Mittelwert dieser EEG Antworten wird berechnet und in grün dargestellt. Nachdem das P300 Signal zwischen 10 und 20 mV liegt, passiert es schnell das Artefakte (Störsignale) die Aufnahme verfälschen. Indem wir die "oddball" Ton Präsentation als Zeitpunkt 0 definieren, ermitteln wir die Durchschnittsantwort auf unseren "komischen" Ton und werden gleichzeit die Störsignale los. Umgangssprachlich sagt man: Sie mitteln sich raus.
- Wir testen für statistische Signifikanz indem wir ganz züfallig über viel Zeitabschnitte mitteln, da unser Signal ja zufälliger Natur sein könnte. Wir definieren also 100 zufällig ausgewählte Punkte als Zeitpunkt 0. Die EEG Antworten um diese Zeitpunkte (1s) visualisieren wir wieder als graue Linien. Der Durchschnitt dieser Zeitabschnitte wird Monte Carlo Average genannt und wir plotten ihn als blaue Linie.
- Alle Durchschnittsantworten werden in einer Abbildung verglichen. Ein 95% Konfidenzintervall um den Monte Carlo Average wird in gestrichelten Linien dargestellt. Signifikante Signale verlassen den Bereich zwischen den gestrichelten Linien. Das P300 Signal wird mit dem Maximalwert des Zeitabschnitts von 250ms und 600ms benannt (in unserem Beispiel "P465").
- Download die Datei aus dem oberen Video und vergleiche die Daten.