Experiment: Aktivier' den Sympathikus
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Experiment: Aktivier' den Sympathikus

Hier lernen wir was über dein unwillentliches Nervensystem und manipulieren es! Willkommen beim autonomen (bedeutet unabhängig) Nervensystem, seiner Unterteilung in Sympathikus und Parasympathikus und wie es deine Herzschlagrate beeinflusst.

Dauer 30 Minuten
Schwierigkeitsgrad Anfänger

Was lernt man hier?

Hier werden wir dein vegetatives Nervensystem (Sympathikus) aktivieren indem wir einen Schmerzreiz geben: deine Hand in Eiswasser halten. Wenn du deine Hand für längere Zeit im Eiswasser lässt, fängt sie an leicht zu schmerzen. Dein vegetatives Nervensystem die Kampf-oder-Flucht-Reaktion ("fight-or-flight response") wird ausgelöst. Deswegen wird dein Herzschlag erhöht, das wiederum können wir mittels unserer Heart and Brain SpikerBox messen.

Voraussetzung


Hintergrund

In unseren anderen Experimenten der Menschenphysiologie beschäftigen wir uns meistens mit dem willentlichen Nervensystem (u.a. neuromuskuläre Neurowissenschaften) oder Wahrnehmung (Sensorische Neurowissenschaften); hier jedoch werden wir uns mit dem "unwillentlichen" Teil unseres Nervensystems beschäftigen, dem autonomen Nervensystem nervous system. Das autonome Nervensystem kontrolliert Vorgänge, denen du bewusst und unbewusst zugleich bist. Genauso haben wir aber auch nicht viel Einfluss darauf - Verdauung, Homeostase, Schwitzen, Blutdruck, Herzschlagrate usw. Das autonome Nervensystem wird in Sympathikus (dieser aktiviert die "Kampf-oder-Flucht-Reaktion") und Parasympathikus (auch "Erholungsnerv" genannt) unterteilt.

Wir messen die Aktivierung des Sympathikus mittels unserer Herzrate. In einem anderen Herzexperiment sehen wir die elektrischen Impulse unseres Herzens und den Anstieg unserer Herzrate, wenn wir uns anstrengen. Lasst uns noch ein bisschen tiefer in die Herzphysiologie eintauchen indem wir versuchen spezifisch die Kampf-oder-Flucht-Reaktion auszulösen. Was passiert in diesem"fight or flight" Modus? Wie du dir wahrscheinlich schon vorstellen kannst: Wenn wir im Angesicht einer Gefahr stehen, sagen wir mal, wir sehen einen großen Schatten in der Nacht an uns vorbeihuschen, erhöht sich unsere Herzrate, wir fangen an zu schwitzen, wir atmen schneller, unsere Verdauung wird eingestellt, unsere Augen weiten sich usw...

Im Gegensatz dazu sendet der Parasympathikus die Signale: Ausruhen und Verdauen! Das führt so ziemlich genau zum Gegenteil des oben Genannten (geringere Herzrate, Verdauungsaktivierung, mehr Spucke wird produziert, etc). Viele dieser Reaktionen, sowohl des Sympathikus als auch des Parasympathikus, werden von Hormonen kontrolliert. Vereinfacht kann man sie als "Neurotransmitter" bezeichnen, nur, dass sie in unseren Blutkreislauf und nicht in den synaptischen Spalt ausgeschüttet werden. Es hat aber den gleichen Effekt. Stoffe finden ihren Zielpartner und führen zu einer Aktivitätsveränderung. Im Gehirn geschieht das innerhalb von 1 Millisekunde (Dauer eines Aktionspotentials). Hormone lassen sich da etwas mehr Zeit und führen zu einem Effekt innerhalb von Sekunden bis hin zu Minuten auf viele Strukturen und Funktionen des Körpers.

Zum Beispiel, sobald das vegetative Nervensystem aktiviert wurde, schüttet unsere Hypophyse (starke Verbindung zum Hypothalamus) das Hormon Corticotropin (ACTH) aus. Getragen durch unseren Blutstrom erhöht es den Cortisolspiegel, was wiederum zu mehreren physiologischen Veränderungen führt. Darunter auch die Erhöhung der Herzrate. Gleichzeitig schüttet die Adrenaldrüse (sitzt auf unseren Nieren) Norepinephrin aus, was den gleichen Effekt auf unser Herz hat.

Um den Sympathikus zu aktivieren benutzen wir Eiswasser. Im Englischen wird das der Cold Pressor Test gennant und vor allem in Schmerzstudien verwendet, da es ein tolerierbarer Reiz ist, der keinen Schaden anrichtet. Jeder von uns hatte schon einmal kalte Hände und dieser Test ist weder angsteinflößend noch führt er zu psychologischem Schaden. Somit ist das Eiswasser ein guter Modellstimulus und wird in vielen Laboren auf der ganzen Welt benutzt. Je länger du deine Hand im Eiswasser lässt, desto schmerzvoller wird die Situation, was in einer Erhöhung der Herzschlagfrequenz resultiert.

Jetzt lasst es uns endlich selber mal ausprobieren!

Downloads

Bevor's losgeht, schau' dass du den Backyard Brains Spike Recorder auf deinem PC installiert hast. Der Backyard Brains Spike Recorder zeigt dir deine Daten in Echtzeit auf dem Bildschirm und du kannst damit deine Daten speichern. Zum Download bereit gibt's auch noch ne simple Tabelle, mit der ihr eure Daten auswerten könnt!

Video

Ablauf

Das Eiswasser-Herzfrequenzexperiment
  • Nimm' eine große Schüssel oder Topf her, gefüllt zu 3/4 mit Eis.
  • Gib' kaltes Wasser hinzu. Wichtig ist, dass du wirklich Eiswasser benutzt und nicht Wasser mit ein bisschen Eis. Das Eiswasser sollte 0° C kalt sein.
  • Platziere Elektrodensticker auf deinen Unterarmen und auf einem deiner Handrücken. Schau', dass sie so nah wie möglich an der Stelle sind, wo man normalerweiße Blut abnimmt.
  • Verbinde' die roten Alligatorclips deines orangenen Kabels mit den Elektrodensticker auf deinem Unterarm und den schwarzen Alligatorclip mit dem Elektrodensticker auf deinem Handrücken.
  • Jetzt steck' den Stecker des orangenen Kabels in deine Heart and Brain SpikerBox und verbinde die SpikerBox mit deinem PC über das blaue USB Kabel. Schalte deine SpikerBox an!
  • Öffne den SpikeRecorder und nimm' deine Herzrate auf. Klick' auf das USB Zeichen im Programm und warte ein/zwei Sekunden. Du solltest jetzt bereits das Signal sehen können, allerdings vielleicht ein bisschen verrauscht. Um das Signal-zu-Rausch verhältnis zu verbessern benutze einen Laptop, der nicht am Stromnetz angeschlossen ist und aktiviere den Noise Notch Filter in den Configurations (Zahnradsymbole im SpikeRecorder). Klick das Kästchen mit den 50Hz an. In Europa haben wir eine Wechselspannung in den Steckdosen bei genau dieser Frequenz und mit dem Filter entfernen wir dieses 'Störsignal'. Den rechten Regler des Bandpassfilters (oberes Band in den Configs) schiebst du auf 100Hz. Somit nehmen wir nur Signale zwischen 1 und 100Hz auf. Jetzt gehen wir in den Schwellenwertmodus (threshold mode = Aktionspotentialzeichen neben den Zahnrädern) und setz' verschiebe den vertikalen Regler bis du das Signal einzeln in der Mitte zentriert sehen kannst.
  • Falls dein Elektrokardiogramm komisch ausschaut (z.B. auf dem Kopf), dann wechsel die Positionen der beiden roten Alligatorclips deiner Unterarme.
  • Drück auf den Aufnahmeknopf, schreib die Herzrate deines Versuchsobjekts/Freundes auf und dann...
  • soll er/sie die Hand, die nicht die Erdungselektrode hat, ins Eiswasser halten! Natürlich sollten auch die Unterarmelektroden nicht in Berührung mit dem Wasser kommen.
  • Warte bis die Testperson dir sagt, das der Kältereiz Schmerzempfinden auslöst, er/sie es aber noch gut aushält.
  • Protokolliere die Herzrate (die Tabelle hilft die Daten zu sortieren).
  • Wiederhole dieses Experiment ein paar Mal um einen Mittelwert auszurechnen.
  • Sobald du genug Daten gesammelt hast, kannst du einen Statistiktest durchführen.

    Alternative Variante- Der Tauchreflex

    Nachdem wir in diesem Experiment die Aktivierung des Sympathikus beobachtet haben, können wir uns noch einen Gegenexperiment anschauen, indem wir den Parasympathikus mit Hilfe des Tauchreflexes aktivieren. Sobald ein Seelöwe untertaucht verlangsamt sich sein Herzschlag. Seine Venen und Arterien in den dezentralen (peripheren) Geweben und Gliedmaßen kontrahieren, damit die Organe, die nicht am Tauchvorgang beteiligt sind, nicht den überlebenswichtigen Sauerstoff verbrauchen. Die Zufuhr zum Gehirn wird jedoch aufrechterhalten.

    Aber wusstest du, dass dieser Reflex in allen lungenatmenden Lebewesen vorkommt? Also auch bei dir! Wenn kaltes Wasser dein Gesicht berührt und du deinen Atem anhälst, können wir den Tauchreflex durch eine Verringerung der Herzschlagrate beobachten. Wir können dies untersuchen und mit simplen über Wasser Luftanhalten vergleichen.

    Das Untertauch-Herzfrequenzexperiment

    Wichtig: Im Klassenzimmer soll dieses Experiment nur unter Aufsicht durchgeführt werden

  • Tausche das Eiswasser des vorherigen Experiments mit tolerierbar kaltem/kühlem Wasser aus.
  • Zeichne deinen Ruhepuls auf.
  • Lass' die Testperson den Atem anhalten und das Gesicht so lange wie es angenehm ist unter Wasser halten.
  • Ermittle die Herzfrequenz. Geht sie nach unten und erhöht sich wieder wenn er/sie das Gesicht wieder aus dem Wasser nimmt und atmet?
  • Wiederhole das Experiment, aber jetzt lass' die Person mit einem Schnorchel weiter unter Wasser atmen.
  • Verändert sich die Herzschlagrate genauso wie im vorherigen Experiment mit angehaltener Luft?
  • Im letzten Experiment dieser Reihe soll die Testperson einfach nur über Wasser seine Luft anhalten. Du solltest eine anfängliche Verringerung der Herzrate beobachten mit einer darauffolgenden Erhöhung, wenn er/sie wieder atmet. Ist der Effekt stärker oder schwächer verglichen mit dem "Gesicht unter Wasser" Experiment?
  • Anmerkung

  • Wir bedanken uns bei unserem Sport und Muskelphysiologiekollegen, Associate Professor Brian L. Tracy, dass er uns dieses Experiment während der Society for Neuroscience 2016 Konferenz vorgeschlagen hat.

    Du hast noch nicht genug?

    Nachdem diese Experimente sehr einfach durchzuführen sind, kannst du relativ schnell einen großen Datensatz mit Hilfe deiner Freunde und Familie aufnehmen. Gibt es Unterschiede zwischen athletischen und normal sportlichen Menschen? Haben Alter, Geschlecht, Hobbies etc. einen Einfluss Frohe Statistik!

    Wir haben den Einfluß der Fitness auf die Herzschlagfrequenz in unserem Einführungs-EKG-Experiment untersucht. Basiert die Stressreaktion durch das Eiswasser auf den gleichen physiologischen Mechanismen wie bei einer sportliche Aktivität? Warum bzw. warum nicht?